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Heydekrug
Ein Dorf mit Namen Heidekrug
lag fern in Preußens Osten.
Ganz nah am Memelfluß,
war es der letzte Posten.
Die Mutter lag schwerkrank im Bett
in einer Bauernkate.
Zehn Kindern schenkte sie das Leben,
nun auf Genesung harrte.
Die Söhne waren auf dem Feld,
die Töchter halfen mit.
Nur Rudi war zu Hause,
sah, wie die Mutter litt.
"Mein jüngster Sohn, ich brauche dich,
Arznei für mich zu holen.
Zum Apotheker schick´ ich dich."
So hat sie ihm befohlen.
Ein wenig Kleingeld kramte sie
aus ihrer Haushaltstasche.
"Lauf´, Junge, bring´ mir Medizin
in Apothekers Flasche!
Höllenqualen sind die Schmerzen,
ich leide fürchterlich.
Das letzte Geld, das gab ich dir,
und nun beeile dich!"
Der Rudi lief den weiten Weg
zum fernen Nachbarort.
Mit einem Fläschchen Medizin
lief gleich er wieder fort.
Das Wirtshaus stand am Ortsausgang,
er mußte dran vorbei.
Die guten Freunde vor dem Haus
war´n ihm nicht einerlei.
Noch gestern hatten sie gezecht
viel Schnaps in froher Runde.
Mutter braucht das Mittelchen,
damit sie bald gesunde.
Den Kater von der letzten Nacht,
den hat er ´rausgelaufen.
Vom Geld war noch ein kleiner Rest,
den könnte er versaufen.
Als er die Zechkumpanen traf,
ließ Rudi sich leicht locken.
"Mutter liegt im Bett, mein Mund,
der ist recht trocken."
Er kehrte ein mit seinen Freunden,
erholte sich beim Rasten.
Stunden später sagte er: "Nach Hause muß ich hasten.
Mutter braucht das Mittel schnell
gegen ihre Schmerzen.
Nun lauf´ ich los, es ist noch hell.
Schluß mit Schnaps und Scherzen."
Er trank in seinem Freundeskreis
den letzten Schluck schnell aus.
Dann galt´s zu Laufen wie der Wind,
der Weg war weit nach Haus.
Rudi rannte wie der Blitz,
das Fläschchen in der Hand.
Ein Wunder war´s, nach so viel Korn,
daß er den Weg noch fand.
Der Mutter war die Zeit recht lang,
sie schaute nach ihm aus.
Mit Schmerzen stand sie in der Tür.
Er nähert sich dem Haus.
Von weitem ruft er: "Hier dein Mittel!
Die Schmerzen werden weichen!"
Die Kranke sieht den jüngsten Sohn
die Kate fast erreichen.
"Ich quäle mich in meinem Leid,
kannst du dich nicht beeilen?
Ich schickte dich bestimmt nicht fort,
im Wirtshaus zu verweilen!"
Der Tadel spornte Rudi an,
der Schnaps beherrscht die Schritte.
Er lief, so schnell er konnte,
das war doch Mutters Bitte.
Die rechte Hand hoch ausgestreckt,
darin die Medizin.
Dicht vor der Türe stolpert´ er
und fiel ganz einfach hin.
Vom Korn benebelt hatte Rudi
kaum Kraft in seiner Hand.
Zerschellend flog die Flasche
an die Häuserwand.
Noch blasser werdend schlug die Frau
die Hände vor den Mund.
Ihr Sohn erhob sich schulterzuckend
und tat treuherzig kund:
"Nun siehst du, Mutter, was passiert,
drängst du mich zur Eile.
Den Weg war ich recht schnell,
im Wirtshaus nur ´ne Weile.
Dort schöpfte ich nur neue Kraft,
trank nicht aus Übermut.
Hätt´ deinen Ratschlag ich bedacht,
dann wär´ noch alles gut.
- Geschwind gespurt, tut niemals gut! -
so hast du uns gelehrt.
Danach zu handeln, hast du mir
durchs Drängen nicht gewährt."
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